weiterdenken #31: Neujahrsvorsätze
Neues Jahr, neue Vorsätze - gut so! Mit ein paar Kniffen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man die gewünschten Verhaltensänderungen durchhält.
Herzlich Willkommen zur ersten Ausgabe im neuen Jahr!
So langsam kommen wir wieder am Arbeitsplatz an, beklagen den weihnachtsbedingt runderen Bauch - und haben womöglich einige Vorsätze für das Jahr 2023 gefasst.
Neujahrsvorsätze sind grundsätzlich eine tolle Sache. Sie zeugen davon, dass man einen kritischen Blick auf die eigene Lebensführung geworfen und Änderungsbedarf festgestellt hat.
Aber leider scheitern sie oft und viel zu schnell. Je nach Studie haben 81-93% aller Menschen zu Ende Januar ihre guten Vorsätze aufgegeben.1
Dieser Newsletter2 soll dir helfen, zur Gruppe derjenigen zu gehören, die ihre Selbstverbesserung über das Jahr hinweg durchhalten.
Schritt 1: Die Verhaltensänderung festlegen
Richtig: Die Verhaltensänderung. Singular.
Der häufigste Grund für das Scheitern von Neujahrsvorsätzen ist, dass man sich zu viele oder zu ambitionierte Dinge vornimmt. Oder zu viele ambitionierte Dinge.
Ein weiterer wichtiger Aspekt: Es ist viel besser, eine neue dauerhafte Gewohnheit einzuführen oder eine schlechte Angewohnheit loszuwerden, als sich ein konkretes Ziel vorzunehmen.3
Deine Vorsätze sollten also nur ein Vorsatz sein, der z.B. so aussehen kann:
“Bis zum Jahresende möchte ich …
… regelmäßigen Sport in meinen Alltag integriert haben” oder
… mit dem Rauchen aufgehört haben.”4
Fokussiere dich auf eine Neuerung, bis sie dir in Fleisch und Blut übergegangen ist.
Und nimm dir nach Möglichkeit kein konkretes Ziel (20 kg abnehmen / 20 Bücher lesen) vor, sondern konzentriere dich darauf, gute Gewohnheiten zu etablieren.
Schritt 2: Die Verhaltensänderung etablieren
Wie eben schon erwähnt, sollte dein Vorsatz nicht nur allein sein, sondern auch einige Zeit eingeräumt bekommen.
Der Schlüssel zur Veränderung deiner Gewohnheit sind viele kleine Schritte und Zwischenerfolge über einen langen Zeitraum.
Und wenn ich lange schreibe, meine ich lange. Nicht ein paar Wochen oder Monate, sondern viele Monate. Was irgendwie auch viele Wochen sind. Du verstehst schon.
Du wirst die neue Verhaltensweise mit größerer Wahrscheinlichkeit über eine lange Zeit durchhalten, je mehr der folgenden Kriterien sie erfüllen:5
a) einfach / offensichtlich
Eine neue Gewohnheit sollte dir so leicht fallen wie möglich. Das kann z.B. bedeuten:
Hindernisse minimieren
Das Sportoutfit oder Buch bereitlegen
extra Zeit für die Handlung freihalten
neues an bestehendes Verhalten knüpfen
Stretching während des Zähneputzens
Lesen während der Bahnfahrt zur Arbeit
mit extrem kleinen Schritten anfangen
an Tagen ohne Zeit oder Motivation weniger machen statt gar nichts
b) verlockend / befriedigend
Die neue Verhaltensweise sollte positive Empfindungen hervorrufen oder eine sofortige Belohnung mit sich bringen, sodass du dich sehr schnell darauf freust, ihr nachzukommen. Dazu kann z.B. beitragen:
Verbündete suchen
accountability buddy (im Zweifel: Mich. Siehe unten)
Teil einer Gruppe werden, in der das Verhalten erwartet wird
eine wirklich verlockende Belohnung nur bei/nach Ausführung des Verhaltens
Hörbuch nur während des Workouts
Lieblings-Getränk aus dem Lieblings-Café nur beim Lesen
Endstufe: Ein neues Selbstbild etablieren ("Ich bin Sportler/Bücherwurm"), sodass jede Ausführung des gewünschten Verhaltens selbstbelohnend wird.6
Zur Abgewöhnung einer schlechten Gewohnheit braucht es dementsprechend die Umkehrung dieser Kategorien:
a) schwierig / unsichtbar
Süßigkeiten gar nicht erst einkaufen
Social Media-Apps vom Handy deinstallieren
Selbstbindungen etablieren oder Hindernisse einbauen
Blocker-Apps und Browser-Erweiterungen zur Konsum-Einschränkung
Das Handy oder die Zigaretten in einen Küchensafe einschließen
Das Stromkabel vom Fernseher in einem anderen Raum verstauen
b) unattraktiv / unbefriedigend
Anzeige der täglichen Bildschirmnutzung auf den Startbildschirm am Handy
mit einem Verbündeten eine Wette mit wirklich unangenehmem Einsatz (Geldbetrag / peinliche Strafe) abschließen
All das sind natürlich nur Vorschläge und Ideen. Werde kreativ bei der Ausgestaltung deiner neuen Gewohnheit(en) - und übe dich in Nachsicht mit dir selbst, wenn du mal einen schwachen Tag (oder Monat) hast.
Es gibt hierzu noch einiges mehr zu sagen. Ich stecke gerade bis über beide Gehirnhälften in Lektüre und weiterem Input zu den angerissenen Themen und werde mit Sicherheit mindestens einen Artikel dazu auf meinem Blog schreiben.
Mein eigener guter Vorsatz: Täglich einen Grund für Dankbarkeit in meinem Bullet Journal dokumentieren.
Wenn du einen Vorsatz für das neue Jahr gefasst hast, nimm mich gern als accountability buddy in Anspruch: Schreib mir in einer Mail, was du dir vorgenommen hast. Nach jedem Quartal frage ich nach, wie es damit läuft.
Bestes Gelingen wünscht
Felix
“This study prospectively tracked the self-change attempts of 200 New Year's resolvers over a 2-year period in order to more fully understand the coping determinants of maintenance and the natural history of lapses and relapses. Seventy-seven percent maintained their pledges for 1 week but only 19% for 2 years.” (Quelle)
Hauptquelle für diesen Newsletter ist die Arbeit von James Clear.
Clear lernt und schreibt seit 2012 über Strategien zur langfristigen Verhaltensänderung, Entscheidungsfindung und dauerhafte Weiterentwicklung.
Wen die englische Sprache nicht abschreckt, der findet auf seiner Webseite Lesestoff zu diesen Themen, der für Jahre reichen dürfte.
Tipp: Nach Anmeldung zu seinem (von über 2 Millionen Menschen abonnierten) Newsletter bekommt man als erstes einen 11-teiligen kostenlosen E-Mail-Kurs zur Verhaltensänderung und Ritualisierung zugesendet.
Dieser (englische) Artikel (ein Auszug aus “Die 1%-Methode”) erläutert die Gründe, weshalb man dauerhafte Systeme konkreten Zielen vorziehen sollte.
Laut J. Clear sind die besten Gewohnheiten die, die auf eine langfristige Änderung der eigenen Identität hinwirken; das Thema würde hier aber zu weit führen.
Ich habe über diese “identity-based habits” in Ausgabe 6 meines Newsletters schon einmal geschrieben. Clear hat den relevanten Auszug aus seinem Buch hier (auf Englisch) veröffentlicht.
Das ist eine Zusammenfassung der “Vier Gesetze der Verhaltensänderung” aus “Die 1%-Methode”, da ich jeweils zwei der eigentlich vier Kategorien ein Stück weit für redundant halte. Hier ein kurzer Video-Zusammenschnitt aus diversen Interviews, in denen J. Clear diese erläutert.
siehe Fußnote 4