weitergedacht #57: Entscheidungsfreude
Memo an mich selbst: Mut zur Entscheidung erleichtert (oft) das Leben.
„Das Leben beschleunigt für die Verwegenen und bevorzugt die Mutigen.“
(Ryan Holiday)1
Die Menschheit scheint in zwei Lager zu zerfallen: Es gibt Menschen, die bereit sind, eine anstehende Entscheidung nach kurzer Bedenkzeit zu treffen. Und es gibt solche, die sich für jede Entscheidung – zumindest für vermeintlich folgenreiche – möglichst viel Zeit nehmen und gründlich abwägen wollen.
Ich gehöre auf jeden Fall zur zweiten Gruppe. Wenn ich könnte, würde ich jede auch nur mittelmäßig wichtige Entscheidung mittels Brainstorming, Pro-Contra-Liste und Betrachtung durch mehrere Mentalmodelle treffen.
Aber häufiger, als mir lieb ist, wird mir die anstehende Entscheidung zwischenzeitlich abgenommen – bei weitem nicht immer zu meiner Zufriedenheit.
Dieser Text ist eine Ermunterung zum raschen Entscheiden.
Für mich selbst und jeden, der sie gebrauchen kann.
Folgen bewältigen, nicht abschätzen
Die grundlegende Einsicht von Grüblern wie mir muss sein:
Man hat keine Wahl, als zu wählen.
Die Sorge, eine Entscheidung „vorschnell“ oder auf Grundlage unvollständiger Informationen zu treffen, beruht bei näherer Betrachtung auf einer Illusion. Egal, wie lange und ausführlich man Informationen sammelt oder Argumente abwägt: An irgendeiner Stelle muss man einen Schlussstrich ziehen und sich festlegen.
Man kann nie wissen, ob man bis zu diesem Moment alle relevanten Aspekte bedacht, alle wichtigen Informationen eingeholt, alle Perspektivwechsel vorgenommen hat.
In den meisten Fällen ist man besser beraten, eine Entscheidung rasch zu treffen. Mit den Konsequenzen muss man so oder so umgehen – das wird nicht leichter, wenn man sich vorher viel Zeit für die Entscheidung genommen hat.
Aber es wird leichter, sich immer größer werdende Entscheidungen zuzutrauen, wenn man sich wiederholt im Kleinen bewiesen hat, dass man mit den Folgen eigenverantwortlicher Entscheidungen umgehen kann (und die Welt nicht untergeht, wenn man einfach mal eine Wahl trifft).
Als Erwachsener steht man irgendwann zwangsläufig vor weitreichenden Entscheidungen: Beruf. Wohnort. Familiengründung. Android oder Apple.
Je durchtrainiert der „Entscheidungsmuskel“ bis dahin ist, umso gelassener kann man auf diese Weggabelungen in der eigenen Biographie zugehen.
Mensch ärgere dich nicht
Ich bin Schieß- und Einsatztrainer bei der Polizei. Werde ich vor einer Prüfungssituation um einen Tipp gebeten, gebe ich immer denselben Ratschlag: Man muss eine abgeschlossene Handlung – beispielsweise einen danebengegangenen Schuss oder eine nicht optimal gelöste Trainingssituation – schnellstmöglich hinter sich lassen können. Je mehr ein Prüfling sich über Vergangenes ärgert, desto wahrscheinlich wird nach meiner Erfahrung, dass auch die nächsten Handgriffe schief gehen.
Dieser Rat lässt sich auch auf viele alltägliche Entscheidungssituationen übertragen: Je eher man den Blick von einer getroffenen Entscheidung löst und nach vorne schaut, desto eher kann man sich ihren Konsequenzen widmen. Man kann die Vergangenheit eh nicht mehr ändern.
Das ist leichter gesagt als getan. Wir Menschen sind oft unsere vehementesten Kritiker. Und natürlich kann man aus der Rückschau auf Vergangenes viele wertvolle Erkenntnisse gewinnen – nicht umsonst bin ich ein großer Befürworter einer regelmäßigen Reflektionspraxis.2
Aber das ist etwas anderes, als sich in kontrafaktischem „was wäre wenn“-Überlegungen zu verlieren. Solche Grübeleien sind immer hypothetische Gedankenspiele, von denen man nie wissen kann, wie zutreffend sie sind, mit denen man aber viel Zeit und Energie verlieren kann.
Oft ist es ratsamer, mit einer einmal getroffenen Entscheidung schnell abzuschließen und die mentalen Kapazitäten für den Umgang mit den Folgen (positiv wie negativ) freizuhalten.
Leben im Zeitraffer
Der folgende Gedanke stammt vom Unternehmer-Coach Alex Hormozi:
Wer in der Lage ist, innerhalb eines Tages eine Entscheidung zu treffen, für die andere eine Woche brauchen, dessen Leben verläuft gewissermaßen in der siebenfachen Geschwindigkeit.3
Das mag eher ein Aphorismus als ein Naturgesetz sein. Aber es steckt eine gehörige Portion Wahrheit darin, denn: Auch der Umgang mit den Folgen einer ersten Entscheidung besteht wiederum aus Entscheidungen.
Wer schon einmal wochenlang auf den Auswirkungen einer Entscheidung herumgedacht hat, hat eine Vorstellung davon, wie wertvoll es sein kann, mit einem solchen Entscheidungskomplex abschließen und sich einem gänzlich neuen Thema widmen zu können.
Viele der erfolgreichen Menschen, die wir bewundern und von denen wir uns fragen, wie sie so viele Projekte oder Tätigkeiten parallel unter einen Hut bekommen, sind nicht unbedingt fleißiger oder disziplinierter als wir Normalsterblichen. Sie verschwenden nur nicht so viel Zeit mit Grübelei, sondern entscheiden schneller und kommen dadurch auch schneller ins Handeln.
Das Leben ist eine einzige Abfolge von Entscheidungen.
Die meisten davon fallen uns kaum auf, viele fallen uns leicht, einige fallen uns schwer. Und auch das Aufschieben einer Entscheidung ist eine Entscheidung – nämlich die, sich noch nicht zu entscheiden. Auch das hat womöglich Folgen.
Die Fähigkeit, sich rasch festzulegen, und das Selbstvertrauen, mit den Folgen umgehen zu können, sind wertvolle Eigenschaften für jeden jungen Erwachsenen. Je eher man sie kultiviert, umso besser.
Original-Zitat aus „The Obstacle Is The Way“: „Life speeds on the bold and favors the brave.”