weiterdenken #41: Eigene Ratschläge
Guter Rat kann das Leben nachhaltig zum Besseren verändern. Ärgerlich, dass man ihn so oft von jemand anderem einholen muss. Aber es ist möglich, sein eigener bester Ratgeber zu werden.
Hast du schon einmal wirklich hilfreiche Ratschläge von jemandem bekommen - und dich hinterher darüber gewundert, dass dir eigentlich nichts Neues oder Überraschendes gesagt wurde?
Oder warst du schon einmal selbst dieser Freund, der genau wusste, was in der schwierigen Situation des Gesprächspartners zu tun war - aber denselben Ratschlag selbst missachtet und sich daher wie ein Heuchler vorkommt?
Dann keine Sorge: So geht es den meisten Menschen.
Muss es aber nicht.
Auf Abstand gehen
Menschen schätzen fremde Situationen mit mehr Weisheit ein als ihre eigene.
Wir geben anderen Menschen bessere Ratschläge als uns selbst.
Dieses Phänomen wird - nach dem weisen König, der ein Privatleben voller Fehlentscheidungen führte - als Salomons Paradox bezeichnet. Es ist ein wissenschaftlich gut belegter Aspekt der menschlichen Psyche.1
Wir Menschen sind notorisch schlecht darin, unser eigenes Leben mit der Distanziertheit zu betrachten, die uns als Ratgeber für andere oft so wertvoll macht.
“Psychological distance, it seems, is the tonic to Solomon’s Paradox.”
(aus Solomon's Paradox: How to Unleash the Wisdom Within)
Die gute Nachricht in alldem ist:
In den meisten Situationen wissen wir bereits (zumindest zum Teil), was zu tun ist.
Und es gibt einige Strategien, wie man mit dem nötigen Abstand auf die schwierigeren Situationen und Entscheidungen im eigenen Blicken kann:
Selbstgespräche
Du musst nicht so weit gehen wie der Autor dieses Artikels empfiehlt und laut mit deinem Spiegelbild reden. Aber ich habe durchaus gute Erfahrungen mit lautem mit-mir-selbst-in-der-Dusche-diskutieren gemacht.
Journaling
Das Führen eines Tagebuches mit regelmäßiger Reflektion. Auf diese Weise kann man über die eigenen Erlebnisse und Konflikte lesen wie in einem Buch - und sich selbst als dessen Hauptfigur betrachten. Das absolute Mittel meiner Wahl, aber eher geeignet für langfristige Erkenntnisse.
Perspektivwechsel
Frag’ dich: Was würde ich meinem/meiner besten Freund/in in derselben Situation raten?Fremd-Identifikation
Eine weitere etwas abgefahrene Empfehlung aus dem unter 1. verlinkten Artikel: Lass dir von jemandem, der dich gut kennt, eine Figur aus Film, Fernsehen oder Literatur nennen, die dir sehr ähnlich ist. Dann lerne möglichst viel über diese Figur und frage dich, welchen Rat du ihr an deiner Stelle geben würdest.
Das Problem mit den eigenen Problemen ist, dass sie die eigenen sind.2 Man ist zu nah dran, um sie mit der Unaufgeregtheit zu betrachten, die ein guter Freund oder Vertrauter gewährleisten kann.
Genau deswegen ist es wichtig, ein paar Beziehungen zu pflegen, die für den einen oder anderen Aha-Moment verfügbar sind.
Aber öfter, als du dir vielleicht eingestehen magst, kennst du die Antwort auf deine eigene Frage bereits. Und selbst der beste Freund ist nicht immer greifbar.
Kluge Ratschläge geben können, aber selbst unklug handeln: Daran kannst du mit ein paar wirkungsvollen Strategien zur Selbst-Distanzierung arbeiten.
Angesichts der Replikationskrise in der Psychologie ist alles andere als selbstverständlich. Salomons Paradox wurde aber wieder und wieder und wieder belegt.
Das ist entweder einer der klügsten oder einer der dümmsten Sätze, die ich je geschrieben habe.