In unserem Haus steht die Renovierung eines künftigen Kinderzimmers an.
Die Decke und Wände haben Profis neu gemacht.
Für den nächsten Schritt, das Gießen des Bodenausgleichs, konnte ich einen darin geübten Kollegen als Helfer gewinnen.
Also alten Boden raus, Termin für den Arbeitseinsatz abgeklärt, morgens um 9 Uhr sollte es losgehen.
Es folgte der mit Abstand frustrierendste Tag, den ich seit Monaten hatte:
Diverse Utensilien waren nicht spontan im Baumarkt verfügbar. Die gewünschte (faseramierte) Bodenausgleichsmasse ebenfalls nicht. Aber immerhin beim lokalen Fachhandel für Werkstoffe.
Also – nach Stunden des Herumtelefonierens und Baumarkt-Shoppings – endlich Haftgrund auftragen, während der Trocknungszeit Ausgleichsmasse einkaufen, dann geht’s richtig los.
Dann der Rückruf von Fachhandel: Muss es wirklich faseramiert sein? Ja? Mist, da habe ich mich vertan.
Verhandlungen. Lösung. Verflixt teurer Einkauf. Dann 16 Säcke á 25 kg ins Haus geschleppt.
Ein letzter Versuch, nötiges Werkzeug im Baumarkt zu kriegen. Nicht verfügbar.
Während die Mitarbeiter sich am Computer abmühen, ruft mein Kollege von zu Hause an: Er habe mal auf den Säcken nachgelesen. Das sei doch nicht der richtige Bodenausgleich.
Abbruch der Mission.
Ich habe selten richtig schlechte Tage. Aber – und das ist der entscheidende Punkt – ich habe welche. Das war so einer. Am Abend war ich geladen, ungeduldig mit unserem Sohn und ungenießbar.
Weder meine Frau noch unser Kind hatten etwas mit dem Verlauf des Tages zu tun. Aber sie waren diejenigen, die unter meiner mittelmäßigen Fähigkeit, mit Frust umzugehen, zu leiden hatten.
Jeder von uns hat schlicht und ergreifend zu viele Tage, um nicht gelegentlich auch mal einen schlechten zu haben.
Und ganz selten auch mal einen wirklich schlechten.1
Die guten und auch die so lala-Tage absolvieren wir ohne große Mühe.
Aber an den schlechten - und erst recht den wirklich schlechten - Tagen macht es einen erheblichen Unterschied, wie resilient und frustrationstolerant wir sind.
Entweder ist ein schlechter Tag für uns gleichzeitig auch ein schlechter Tag für die Menschen unmittelbar um uns herum – Kinder, Partner, Kollegen.
Oder – noch schlimmer – wir machen einen eigentlich schönen zu einem miesen Tag für jemand anderen.
Wenn niemand im betroffenen Personenkreis die Fähigkeit mitbringt, mit einem herausfordernden Tag souverän umzugehen, endet es in einer Katastrophe.
Und wie eigentlich alle Fähigkeiten muss man auch diese gezielt trainieren, um gut darin zu werden.
Je nach Bedarf erhöhen wir bspw. unsere Körperkraft, unsere Denk- und Argumentationsfähigkeit oder unser Fachwissen, selbst wenn wir im Alltag selten bis nie in vollem Umfang darauf zurückgreifen müssen.
An seiner Resilienz sollte jeder von uns arbeiten, bevor es darauf ankommt – denn die Notwendigkeit wird jeden früher oder später ereilen.2 Als Erwachsener, als jemand in Verantwortung, als hilfreiches Team- oder verlässliches Familienmitglied steht man folglich vor der etwas makaberen Aufgabe, in einem Alltag voller entspannter oder so la-la-Tage gezielt nach Momenten zu suchen, in denen wir unser sprichwörtliches Fell dicker machen können.
Wenn also das nächste Mal das Kind nicht hören will, ein Kollege nervt oder ein Familienmitglied triggert, ist das eine Gelegenheit zum Training:
Halte inne, atme durch, lass‘ den ersten Handlungsimpuls abklingen – dann verhalte dich so, wie es ein souveräner, kompetenter Erwachsener tun sollte.
Beweise dir selbst so oft es geht im Kleinen, dass du das kannst – dass du ein solcher Erwachsener bist – und gib dir Gelegenheit, immer selbstverständlicher die richtige Reaktion abzurufen. Dann gelingt es dir sehr wahrscheinlich auch im Großen.
Heiße solche Trainingseinheiten willkommen und nutze sie – es wird sich auszahlen.
„Tough times don’t last but tough people do.“ (Robert H. Schuller)
Stichwort: Gesetz der großen Zahlen
Dasselbe gilt bspw. auch für Fertigkeiten im Bereich guter Kommunikation, dem Umgang mit Vergänglichkeit und Sterblichkeit oder der eigenen Gesundheitsvorsorge.