Wenn von groß werden die Rede ist, ist der Prozess des Erwachsenwerdens gemeint.
“Was möchtest du mal werden, wenn du groß bist?”
“Das erklären wir dir, wenn du größer bist.”
In all diesen Beispielen deutet unser Sprachgebrauch an, dass das Wort “Größe” nicht nur den Abstand zwischen Fußsohle und Scheitel oder die Konfektionsgröße meint.
Aber beim näheren Hindenken wird auch schnell klar, dass Größe in diesen Beispielen nur als falsche Annäherung für Alter verwendet wird.
Was ist aber, wenn jemand “Größe bewiesen” oder zu “wahrer Größe” gefunden hat?
Warum können wir zu Vorbildern “aufsehen”, warum “über uns hinauswachsen”?
Hier scheint “Größe” nichts mit den Lebensjahren, sondern mit vorbildlicher Tugendhaftigkeit zu tun zu haben.
Wer — als Kulturschaffender, als Politiker o.ä. — schließlich “überlebensgroß” (im Sinne des englischen "larger-than-life”) geworden ist, hat quasi Geschichte geschrieben.
Was ist das also für eine nicht-körperliche Größe, die Menschen in unterschiedlicher Ausprägung zu haben scheinen?
Volle Lebensgröße
Mir scheint: “Größe beweisen” kann man, wenn es um etwas geht.
Es ist eine menschliche Qualität, die nur in bestimmten Situationen zu Tage tritt.
In herausfordernden Momenten, wenn schwere Entscheidungen zu treffen sind.
Wenn man die Wahl hat:
Sich “kleiner machen, als man ist”.
Oder sich “zu voller Lebensgröße aufrichten.”
Stimmt meine sprachliche Herleitung, dann beweist man “Größe” jenseits des Erwachsengewordenseins durch demonstrative Integrität und tugendhaftes Handeln.
Es ist die Art von Verhalten, die bei aller Missgunst Respekt abtrotzt.
Größe in diesem Sinne macht den Unterschied aus zwischen geübtem und professionellem Agieren; zwischen Influencern und Vorbildern; zwischen Lehrern und Mentoren.
Sie ist schwer zu definieren. Aber wir erkennen sie, wenn wir sie sehen.
Sie ist schwer zu erreichen. Aber wir brauchen Menschen, die sie haben.