weiterdenken #4
Erste Eindrücke | Unglaubliche Fakten | Selbstbindungen
In dieser Ausgabe:
Anekdote: Der erste Eindruck ist oft der falsche
Twitter-Fund: Unglaubliche Fakten
Tool: Stay Focused-App / Selbstbindung
Zitat: John Wheeler
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Der erste Eindruck ist oft der falsche
Auf meiner Heimreise von der Arbeit erlebte ich kürzlich eine Anekdote, die mich zum Nachdenken gebracht hat:
In einer ziemlich vollen S-Bahn nahm ich mit meinem großen Rucksack und meinem Hintern zwei Sitzplätze ein. Eine junge Frau, die mir gegenüber saß, schien mich - trotz meines Angebotes an zusteigende Fahrgäste, einen Platz freizugeben - über ihre Maske hinweg vorwurfsvoll anzustarren.
Nach meinem Umstieg saß ich kurzzeitig im Fahrradabteil meiner Regionalbahn, bevor ein älterer Mann mit seinem Fahrrad dazu kam. Ich gab meinen Platz frei und lehnte einen anderen Sitz dankend ab, den mir eine Frau anbot, da ich kurz darauf ausstieg.
Dann musste ich daran denken, welchen - notwendigerweise endgültigen - Eindruck die junge Dame aus der S-Bahn wahrscheinlich von mir gewonnen hat. Diese Momentaufnahme war offensichtlich nicht repräsentativ für meine Bereitschaft, Sitzplätze im ÖPNV freizumachen - geschweige denn für meinen Charakter.
Aber: Wir alle haben die Tendenz, andere Menschen, die uns nur kurz begegnen, sehr schnell anhand weniger Interaktionen oder flüchtiger Eindrücke zu beurteilen.
Dabei ist dieser erste Eindruck oft auch der letzte, den wir von jemandem erlangen. Und es ist nahezu ausgeschlossen, dass ein einzelner Schnappschuss repräsentativ für die Eigenschaften eines Menschen ist - allein schon deswegen, weil wir in unterschiedlichen sozialen Kontexten sehr unterschiedliche Menschen sein können.
Der Raser, der uns mit seiner rücksichtlosen Fahrweise dazu bringt, unsere Windschutzscheibe anzuschreien, hat womöglich gerade erfahren, dass seine Frau ins Krankenhaus eingeliefert wurde.
Der Polizist, der jemanden brutal zu Boden ringt, hat vielleicht erst wenige Einsätze vorher mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen eine aufgeregte Situation entschärft.
Wir sollten uns dabei bremsen, jemanden, den wir gar nicht wirklich kennen, in eine Schublade zu stecken oder "abzustempeln". Wir tun demjenigen mit großer Wahrscheinlichkeit unrecht.
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Unglaubliche Fakten
Wait But Why-Schöpfer Tim Urban fragte auf Twitter kürzlich seine über 600.000 Follower nach ihren liebsten unglaublichen Fakten. Unter den zahlreichen Antworten sind einige echte Nuggets.
Drei Beispiele, die mich besonders beeindruckt haben:
Am 17. Dezember 1903 gelang den Gebrüdern Wright der (vermeintlich) erste motorisierte Flug. Nur 66 Jahre später war der erste Flug zum Mond gelungen und Neil Armstrong betrat die Mondoberfläche.
Eine Million Sekunden sind 11 Tage. Eine Milliarde Sekunden sind 32 Jahre! Die drei Nullen machen einen gewaltigen Unterschied.
Mein eigener Beitrag: Zwischen Erde und Mond passen alle restlichen Planeten unseres Sonnensystems.
Stay Focused
Vor kurzem hatte ich mal wieder ein paar undisziplinierte Tage, an denen ich zahllose YouTube-Videos ohne irgendeinen Mehrwert geguckt habe - oft bis tief in die Nacht. Warum? Keine Ahnung.
Um das künftig zu verhindern, nutze ich seitdem verstärkt eine App namens Stay Focused, mit der man Webseiten und Apps blockieren und zahlreiche individuelle Einstellungen vornehmen kann.
Als zusätzliche Sicherheit kann ich jemanden ein mir unbekanntes Passwort einrichten lassen, ohne das man an den Einstellungen nichts verändern und die App nicht deinstallieren kann.
Eine solche Sicherheitsmaßnahme, die man in rationalen Momenten trifft, um künftigen irrationalen Entscheidungen oder Verführungen vorzubeugen, nennt sich "Selbstbindung" (engl. "Commitment Device").
Dahinter steht die inzwischen gut dokumentierte Erkenntnis, dass Willenskraft allein kaum ausreicht, um an unseren Zielen festzuhalten oder unerwünschte Verhaltensweisen abzulegen.
Neben Blocker-Apps gehören dazu z.B. auch
eine monatliche automatische Überweisung auf ein separates Konto o.ä., um für spätere Zeiten vorzusorgen oder
der Verzicht auf Süßigkeiten beim Einkauf, sodass bei der nächsten Heißhunger-Attacke keine zur Verfügung stehen.
Mehr zum Ausgleich zwischen dem gegenwärtigen und zukünftigen Ich - auf individueller wie gesellschaftlicher Ebene - gibt es unter anderem hier:
BBC Radio 4 - Think with Pinker, Future you — www.bbc.co.uk Should we eat, drink and be merry or make sacrifices now to benefit our future selves?
Daniel Goldstein: The battle between your present and future self | TED Talk — www.ted.com Every day, we make decisions that have good or bad consequences for our future selves. (Can I skip flossing just this one time?) Daniel Goldstein makes tools that help us imagine ourselves over time, so that we make smart choices for Future Us.
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Zitat
“as our island of knowledge grows, so does the shore of our ignorance.” (John Wheeler)
Danke fürs Lesen
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