weiterdenken #23
"Nein" sagen können
Von der Wichtigkeit, "Nein" sagen zu können
Bis in meine späten Zwanziger hinein war ich ein notorischer Ja-Sager. Aus Angst, jemanden zu enttäuschen oder vermeidbare Konflikte austragen zu müssen, lehnte ich kaum eine Bitte oder Anfrage ab - selbst wenn sie zeitlich kollidierten.
Die Folge war viel zu oft, dass ich am Ende erst recht für Enttäuschung sorgte, weil ich natürlich niemandem wirklich gerecht werden konnte.
Ein "Ja" sind unendlich viele "Nein"
In dieser früheren Haltung liegen gleich zwei Denkfehler.
Der erste war, die Konflikte zwischen meinen Interessen und den Anfragen anderer für vermeidbar zu halten. Irgendwoher hatte ich die Vorstellung, diverse Verpflichtungen parallel händeln zu können.
Die simple Wahrheit ist aber: Man muss sich entscheiden, worin man seine Zeit investiert.
Wann immer man zu etwas "Ja" sagt, sagt man automatisch "Nein" zu unzähligen anderen Dingen, die man theoretisch in derselben Zeit tun könnte.
Everything You Say Yes To Is Saying No To Something Else - RyanHoliday.net — ryanholiday.net
You have to be able to say no. You have to be able to pick your shots. If you’re not strong or free enough to pass on things, are you really that strong or free? In fact, really caring about your work is a great reason to need to be able to say no to stuff.
Tatsächlich ist es erst dieses Naturgesetz, das unseren Entscheidungen Gewicht verleiht. In jedem Moment haben wir die Möglichkeit, bewusst zu entscheiden, worin wir unsere Zeit investieren:
Ein Buch lesen oder mit Freunden treffen?
Mit dem Kind spielen oder aufs Handy gucken?
Jemand anderem helfen oder ein eigenes Projekt bearbeiten?
Ein "Nein" sorgt für Klarheit
Denkfehler Nummer zwei war die Befürchtung, das Ablehnen von Anfragen würde für Enttäuschung sorgen oder meinem Ruf schaden. Wie sich zeigt, ist die Befürchtung unbegründet:


Ein klares "Nein" ist deutlich hilfreicher als das "Mal schauen", mit dem ich jahrelang meine Freunde oder Familie hingehalten habe. Und wer - wie ich immer noch - befürchtet, mit einer deutlichen Absage jemanden zu verärgern, dem hilft vielleicht ein simpler Perspektivwechsel:
Wäre ich selbst derjenige, der diese Anfrage stellt, und die Antwort wäre "Nein" - wäre ich verärgert?
Wenn dem nicht so ist, warum sollten andere Menschen völlig anders reagieren?
Grenzen setzen
Jeder hat das Recht, die eigenen Grenzen zu definieren - und auch deutlich zu artikulieren.
Und jeder hat das Recht, selbst zu bestimmen, wie die eigene Zeit investiert werden soll.
Ein "Nein" markiert diese Grenze, macht die eigene Priorisierung deutlich - aber es muss nicht das Ende der Unterhaltung sein. Nach dem "Nein" kann ein Alternativ-Angebot, ein Verweis an eine andere hilfreiche Stelle oder eine Begründung kommen.
Zitat
Once we accept the reality of trade-offs we stop asking, “How can I make it all work?” and start asking the more honest question “Which problem do I want to solve?” (Greg McKeown in "Essentialism")
Danke fürs Lesen
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